Riders Collective
dialog.arbeit.digital

Was bringt die neue EU-Plattform Richtlinie?

"Online Podium Talk" mit ExpertInnen!
Am 21.12.21, von 15 - 16:30h via ZOOM oder youtube Stream.

Speakers:

- Elisabeth Lechner (Moderation, Referentin im Büro für digitale Agenden, AK Wien)
- Martin Gruber-Risak (ao. Univ.-Prof. Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien)
- Christian Berger (Referent in der Abteilung Wirtschaftspolitik mit Schwerpunkt Strukturwandel sowie Büro für digitale Agenden, AK Wien)
- Robert Walasinski (Projektleiter Riders Collective, ÖGB)
- Oliver Klug (Senior Corporate Communications Manager Lieferando Germany & Austria)
Am 9. Dezember wurde von der EU Kommission eine Direktive zu Plattformarbeit vorgestellt. Dieser Richtlinienvorschlag soll Klarheit für Millionen von Beschäftigten bei Plattformen bringen und die jahrelange Diskussion, ob es sich um selbstständige Tätigkeit oder Anstellungsverhältnisse handelt, beenden.

Doch was ändert sich nun in der Praxis, und vor allem: Wann? Ist eine Regulierung des als hyperflexibel und als Speerspitze der Digitalisierung der Arbeitswelt gehandelten Bereiches überhaupt notwendig oder doch innovationsfeindlich? Welche Bereiche sind neben der Frage nach dem Arbeitsverhältnis noch umfasst? Dieser Themenkomplex wird am 21.12.21 um 15.00 mit Expert*innen und Praktiker*innen aus Gewerkschaft, Arbeiterkammer und Arbeitsrecht diskutiert werden – Teilnahme ist via Zoom und Youtube möglich, Fragen und Diskussionsbeiträge herzlich willkommen!
In Kooperation

EU-Richtlinien Entwurf  zum Thema Plattformarbeit

Heute (09.12.21) wurde der lang erwartete EU-Richtlinien Entwurf der EU Kommission zum Thema Plattformarbeit präsentiert. Wieso das für uns relevant ist?

Bei Mjam, Lieferando, Uber und anderen handelt es sich um Plattformen, die von dieser Richtlinie umfasst sind. Bis auf Lieferando setzen die meisten Plattformen (in Europa und Weltweit) auf (Schein-) Selbstständige oder freie Dienstnehmer*Innen.

Damit umgehen sie arbeits- und sozialrechtliche Regulierungen und lagern das Risiko auf die Bot*innen aus. Manch Eine*R kann damit gut leben, aber auf lange Sicht braucht es einheitliche Regeln für alle Unternehmen.

Grundsätzlich beinhaltet die Richtlinien drei wesentliche Punkte:
- Grundannahme eines Anstellungsverhältnisses,
- Transparenz und Fairnessbei der Verwendung von algorithmischen Managements
- sowie die Pflicht der Informationsbereitstellung.

Die Grundannahme einer Anstellung ist der momentan wichtigste Aspekt. Diese Grundannahme kann von der Plattform widerlegt werden, das heißt: Wenn echte Selbstständigkeit vorliegt, steht dieser auch nichts im Wege!
Es sollen damit verdeckte Anstellungsverhältnisse verhindert werden, wie sie in ganz Europa und leider auch Österreich oftmals zur Anwendung kommen.

Zusätzlich wird die Beweispflicht, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, auf die Plattform übergehen statt wie bisher üblich dem einzelnen/der einzelnen Beschäftigten überlassen. Somit muss die Plattform beweisen, dass es sich nicht um ein Anstellungsverhältnis handelt.

Neben diesen maßgeblichen Verbesserungen was die Frage nach Anstellungsverhältnissen oder Selbstständigkeit bei Plattformen klärt, wurde auch der Aspekt der Transparenz beim Einsatz von automatisierten Managementsystemen behandelt. Das bedeutet, dass Plattformen offenlegen müssen, wie die Auftragszuweisung bspw. zustande kommt und welche Faktoren darauf Einfluss nehmen.

Zu guter Letzt sind Plattformen verpflichtet, ihre Tätigkeiten im jeweiligen Land zu melden. Laut dem Richtlinienentwurf werden somit die Beschäftigten bei bspw. Mjam und Co. zu vollwertigen Arbeitnehmer*Innen durch die (wiederlegbare!) Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Das bedeutet alle Rechte, von Mindestlohn über bezahlten Krankenstand und Urlaub hin zu 13 & 14 Gehalt sowie der Möglichkeit, kollektiv für bessere Bedingungen einzutreten, Vertretung im Betrieb zu wählen usw. werden auf die Plattformbeschäftige zutreffen!

Das wird auch bei den Kollektivvertragsverhandlungen positive Auswirkungen haben, da Unternehmen wie Mjam nicht mehr auf freie Dienstverträge ausweichen können. Damit können die Arbeitsbedingungen für alle Bot*innen verbessert werden!
An dieser Stelle noch einmal: Wenn die Plattform beweisen kann, dass es sich um Selbstständige Tätigkeit handelt, dann steht dieser nichts im Wege!

Diese Richtlinie ist ein riesiger Erfolg der Gewerkschaften in ganz Europa, auch das Riders Collective und die Betriebsräte bei Mjam und Lieferando waren und sind durch internationale Zusammenarbeit von Anfang an bei der Entwicklung dieser Richtlinie beteiligt!

Die Direktive ist aber erst der Beginn, jetzt wird es darum gehen den Entwurf nicht ver wässern zulassen und die Implementierung genauestens zu beobachten.

Wir bleiben dran!

Für eine tiefgreifende Analyse empfehlen wir diesen Blogbeitrag von Martin Gruber-Risak, Christian Berger und Frank Ey.

---- English Version ----

Today, the long-awaited EU-directive on platform work was presented by the EU Commission. Why is this relevant for us?

Mjam, Lieferando, Uber and others are platforms covered by this directive. Except for Lieferando, most platforms (across Europe andworldwide) rely on (bogus) self-employed workers or independent contractors (freier Dienstvertrag).
With these contracts they circumvent all labour regulations and outsource the risk to the messengers. Some people can live with this, but in the long run, rules are needed for all companies.

Basically,the guidelines contain three essential points:
- The basic assumption of an employment relationship,
- transparencyand fairness in the use of algorithmic management
- and the obligation to provide information on platform work activity.

The basic assumption of employment is currently the most important aspect. This basic assumption can be rebutted by the platform. That means, if genuine self-employment exists, there is nothing against it! The aim is to prevent hidden employment relationships, as they are often used throughout Europe and unfortunately also in Austria.

In addition, the burden of proof as to whether an employment relationship exists will be ansferred to the platform instead of being left to the individual employee. Thus, the platform must prove that it is not an employment relationship.

In addition to these significant improvements, which clarify the question of employment relationships or self-employment for platforms, the aspect of transparency in the use of automated management systems was also addressed. This means that platforms must disclose how the assignment of a job, for example, comes about and which factors have an influence on it.

Last but not least, platforms are obliged to report their activities in the respective country. According to the draft directive, workers at Mjam and Co., become fully-fledged employees through the (rebuttable!) assumption of an employment relationship. This means that all rights, from minimum wage to paid sick leave and holidays to 13 & 14 salaries as well as the possibility to collectively stand up for better conditions, to vote for representation in the company etc. will apply to platform workers! This will also have a positive impact in collective bargaining as companies like Mjam will no longer be able to resort to freelance contracts. This will improve the working conditions for all messengers! At this point, once again: If the platform can prove that the work they provide is a self-employed one, then nothing stands in its way!

This directive is a huge success of the trade unions all over Europe, also the Riders Collective and the workscouncils at Mjam and Lieferando were and are involved in the development of this directive from the beginning through international cooperation!

But the directive is only the beginning, now it will be a matter of not letting the draft be watered down and of closely observing the implementation.

We are staying aware!

For a depth analysis we recommend this blog post by Martin Gruber-Risak, Christian Berger and Frank Ey (German).