Massenkündigung bei Mjam

Am 30. Juni haben mehr als 150 Freie Dienstnehmer bei Mjam ihren letzten Arbeitstag. Sie wurden im Mai plötzlich, ohne Vorwarnung und ohne Angabe von Gründen gekündigt. Währenddessen werden weiterhin neue Rider eingestellt. Es wird sogar mit Bonussen gelockt, Freunden diesen Job zu empfehlen und laut neuesten Nachrichten sucht Mjam 1000 neue Mitarbeiter. Hire and Fire heißt diese Strategie, die so viel Flexibilität ermöglicht. Mit einem Betriebsrat wäre das wohl kaum möglich. Ja, echte Dienstverhältnisse mit Sicherheiten für Arbeitnehmer aber auch Arbeitgeber sind dagegen doch eher unflexibel. Darum setzt Mjam lieber auf Freie Dienstnehmer. Bei soviel Unsicherheit ob das Geschäft jemals rentabel sein würde, möchte man verständlicherweise lieber schnell reagieren können. Bald wird jede:r jemanden kennen, der einmal bei Mjam gearbeitet hat.

Bei den 150 gekündigten Mitarbeitern handelt es sich dabei keineswegs um unzuverlässige oder schlecht performende Arbeitskräfte. Viele davon sind von dem Job abhängig und arbeiten seit geraumer Zeit 8 Stunden jeden Tag. Einige hatten sich -natürlich auf eigene Kosten ein E-Bike gekauft, um möglichst viel arbeiten zu können, und haben nun Raten abzuzahlen, oder Schulden bei Freunden, von denen sie sich Geld für ein E-Bike ausgeborgt haben. Manche sind schon seit Jahren bei Mjam beschäftigt und haben die ganze Pandemie über regelmäßig und verlässlich gute Dienste geleistet.

Man möchte meinen, das interne Bewertungssystem würde schon von alleine für die Aussiebung von Ridern sorgen. Dadurch werden nach einigen Parametern in punkto Zuverlässigkeit die Rider in 5 verschiedene sogenannte Batches kategorisiert. Wer in Batch 1 ist, bekommt als erstes Zugriff zum Schichtplan und darf sich die besten Schichten aussuchen. Wer in Batch 4 oder 5 ist, bekommt häufig gar keine Schichten mehr und hat es somit auch schwer, da wieder heraus zu kommen. Nicht wenige der gekündigten Kollegen, waren tatsächlich in Batch 2 bis 3, zeitweise sogar in Batch 1. Sie hatten auch bis zu ihrem letzten Arbeitstag am 30. Juni kein Problem Schichten zu bekommen, weil sie gute und weitgehend zuverlässige Rider sind, die auch auf den Job angewiesen sind.

Auf Nachfrage bei Angestellten, die für die Schichteinteilung und Betreuung der Rider zuständig sind, konnte niemand genau sagen, nach welchen Kriterien bei den Kündigungen vorgegangen wurde. Manche vermuteten, es ging dabei um No-Shows. Freie Dienstnehmer müssen keine Gründe angeben, wenn sie nicht zur Arbeit kommen können. Wenn plötzlich etwas dazwischen kommt, ein Migräneanfall, ein plötzlich erkranktes Kind, ein Handwerker der sich verspätet, ganz egal, kann ein Freier Dienstnehmer der Arbeit fernbleiben ohne 2 Wochen vorher Urlaub zu beantragen oder eine Krankmeldung vom Arzt zu bringen. Tatsächlich ist das auch der Grund, warum viele Freie Dienstnehmer diese Beschäftigungsform bevorzugen.

Man findet unter den Freien Dienstnehmern nicht wenige Familienväter, die diese Flexibilität schätzen, weil das Leben mit Kindern oft unberechenbar ist. Allerdings brauchen besonders diese Kollegen natürlich auch Jobsicherheit. Viele Kollegen wählen den Freien Dienstvertrag, weil er ihnen erlaubt, mehr als 40 Stunden zu arbeiten und das für ihre Staatsbürgerschaft oder ihre Familienzusammenführung nötige Einkommen zu verdienen. Die angebliche Freiwilligkeit, mit der sie einen Freien Dienstvertrag annehmen, ist oft in Wahrheit ökonomische Not und relative Alternativlosigkeit. Für freie Dienstnehmer:innen gibt es keinen bezahlten Urlaub, keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, keine Job- oder Einkommenssicherheit, keine betriebliche Mitsprache wie einen Betriebsrat, der auch vor Kündigungen informiert werden muss und sie eventuell verhindern kann.

Die Hire&Fire-Strategie ist daher mit Echten Dienstverträgen schwer möglich. Hingegen sind Freie Dienstverträge das Geheimnis des Überlebens und Wachstums trotz ausbleibender Profitabilität. Die Wirtschaftskammer, sowie die orange-farbene Konkurrenz, die 100% der eigenen Flotte mit Echten Dienstverträgen anstellt und nach Kollektivvertrag bezahlt, muss sich fragen, ob das noch ein Fairer Wettbewerb ist.

Für die 150 Kollegen gibt es aber noch eine Chance: Da eine Massenkündigung beim AMS im Zuge des Frühwarnungssystems 30 Tage vor Aussendung der Kündigung angezeigt werden muss, und das dazugehörende Gesetz (AMFG §45a) auch für Freie Dienstnehmer gilt, sind die Kündigungen rechts-unwirksam, also formell ungültig. Bist du betroffen? Melde dich bei uns, wir sind darüber in Kontakt mit der Arbeiterkammer!